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Digitale Transformation und der Green Deal der EU

Vorliegender Artikel ist ein Auszug aus dem neuen Buch UMSETZUNG DER DIGITALEN TRANSFORMATION: WIE SICH UNTERNEHMEN FÜR EINE DIGITALE UND NACHHALTIGE ZUKUNFT WANDELN MÜSSEN, das von dem m.partners-Senior Advisor Prof. Dr. Hubertus Tuczek (Landshut Leadership Forum) im Sept. 2022 herausgegeben wurde. Hier können Sie das Buch beim Verlag bestellen.

 

Inhalte:

  • Digitale Transformation und der Green Deal der EU

  • Regulatorische Rahmenbedingungen durch den Staat

  • Digitale Transformation – Umbruch in der Gesellschaft

  • Enabler der Transformation

  • Digitale Transformation der Prozesse

  • Digitale Transformation aus Anwendungssicht

  • Mit Praxisbeispielen von Bosch, Volkswagen, Continental, Siemens, UnternehmerTUM u.v.m.

Plants on a field with european flag as background and the text _green deal_.jpg

Die digitale und grüne Transformation ist das wichtigste Projekt des kommenden Jahrzehnts. Ob und wie sie gelingt, entscheidet letztlich über die Stellung Deutschlands und Europas in der zukünftigen Welt. Dieses Buch beschreibt, wie die digitale Transformation aus Technologie- und aus Nachhaltigkeitssicht erfolgreich umgesetzt wird. Zahlreiche Best Practice-Beispiele namhafter Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen helfen, konkrete Ableitungen für den eigenen Change Prozess zu ziehen. 

Nachhaltigkeit und Digitalisierung stehen mit vielseitigen Wechselwirkungen für die beiden globalen Veränderungsprozesse des Jahrhunderts. Die digitale Transformation dient als Hebel für eine nachhaltigere und klimafreundlichere Wirtschaft und zahlt somit auf die Ziele des Europäischen Green Deal ein. Andererseits sind die wachsenden Stromverbräuche und die steigende Nachfrage an Rohstoffen durch die Digitalisierung selbst Teil des Problems. Letztlich kann aber der Green Deal der EU mit der angestrebten Klimaneutralität bis 2050 nur mittels digitaler Transformation gelingen – so, wie umgekehrt die Digitale Transformation nur gelingen kann, wenn sie einen nennenswerten Beitrag zur „grünen Transformation“ leistet.

Hierbei spielt eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende eine zentrale Rolle, um mit unternehmerischen Ansätzen und Innovationen eine zukünftige nachhaltige Gemeinwohlökonomie auf den Weg zu bringen. Es liegt an uns allen, die dafür notwendigen Veränderungen aktiv umzusetzen. In der Interaktion zwischen der digitalen und der nachhaltigen Transformation gibt es vielfältige Chancen und Risiken. Erhöhte Erschwinglichkeit, Zugänglichkeit und Qualität von Produkten können ebenso Beiträge einer digitalen Transformation zu mehr Nachhaltigkeit sein wie Geschwindigkeit, Transparenz, Virtualisierung von Dienstleistungen.

Zu den Herausforderungen zählen Rebound-Effekte, wachsender Energieverbrauch, Steigerung des Massenkonsums, selektive Zugänglichkeit von digitalen Produkten und Dienstleistungen, Mangel an Menschlichkeit. etc. Eine Entwicklung hin zu einer enkeltauglichen Zukunft bedarf zusätzlicher Anstrengungen, wie den Umbau zur Kreislaufwirtschaft, Technologie- und Geschäftsmodell-innovationen, klare rechtliche, EU-weite Rahmenbedingungen, sowie Anreizfinanzierungen durch Institutionen und private Investor:innen.

Deutsche Unternehmen sind seit vielen Jahrzehnten mit ihrer Innovationskraft bei Produkten und Dienstleistungen Treiber beim Umwelt- und Klimaschutz. Die Industrie hat die Emissionseffizienz über die letzten drei Jahrzehnte hinweg kontinuierlich gesteigert: Im Bereich Umwelttechnologien sind deutsche Unternehmen Weltmarktführer. Als global Player effizienter Prozesse und innovativer Dienstleistungen ermöglichen sie ressourcenschonendes Wirtschaften und CO2-Einsparungen weltweit.

Dennoch werden sich die Ziele des Green Deal so allein nicht erreichen lassen. In den meisten Bereichen müssen die Umweltauswirkungen in geringen Zeitabschnitten auf ein Minimum reduziert werden, um Klimaneutralität zu erreichen und die Null-Emission-Ambition des Green Deal umzusetzen. Dies gelingt nicht nur mit einem vollständigen Umbau von Energieversorgung und Mobilität auf Basis nachhaltiger Energien. Es erfordert auch eine Umstellung auf nachhaltige und kreislauffähige Produkte und Dienstleistungen.

Die Geburtsstunde der Umwelt-, Ressourcen- und Klimaberichte geht u. a. auf die Veröffentlichung der ersten Club-of-Rome-Studie „Die Grenzen des Wachstums“ aus dem Jahr 1972 zurück (vgl. Dennis L. Meadows, The Limits to Growth, 1972). 50 Jahre später ist viel passiert. Die zentrale Position der „Friday for Future“-Bewegung bringt zum Ausdruck, dass das Wissen um die anstehende Bedrohung bereits seit vielen Jahrzehnten bekannt ist, aber ein entsprechendes Handeln in vielen Teilen auf sich warten lässt.

Der UN-Weltklimarat wurde bereits 1988 gegründet und 1992 fand der erste Umweltgipfel in Rio de Janeiro statt. Insbesondere im Jahre 2015 schienen mit der Formulierung der 17 Sustainable Development Goals (SDGs) durch die Vereinten Nationen als politische Zielsetzung für eine ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit im Jahr 2030 sowie dem Abkommen des Pariser Klimagipfels mit verbindlichen Klimazielen die Grundlagen der nachhaltigen Transformation gelegt.  Wir haben genug Wissen über die bestehenden Verhältnisse und die anstehenden Entwicklungen, die aufgrund der zunehmenden Freisetzung von CO2-Emmissionen zu erwarten sind. Erderwärmung, Schmelzen der Polkappen und Auftauen des Permafrostbodens, Hitzewellen mit Dürren, Starkregen und Stürme, Anstieg des Meeresspiegels - die Fakten liegen auf dem Tisch. Die Europäische Union verabschiedete deshalb im Jahr 2019 den „Green Deal“, um verbindliche Gegenmaßnahmen auf den Weg zu bringen.

Neben diesen notwendigen gesellschaftlichen und politischen Veränderungsprozessen stellen sich Unternehmer:innen tagtäglich der Herausforderung „Change Management“ - mit Maßnahmen, um die anhaltende Veränderungen innerhalb der Infrastruktur und der Geschäftsmodelle im eigenen Unternehmen zu etablieren. Diese können sich sowohl auf kulturelle als auch technologische, strukturelle oder organisatorische Aspekte beziehen. Damit Transformationen im Unternehmen erfolgreich umgesetzt werden, ist es erforderlich, dass Führungskräfte als Vorbilder und Antreiber agieren (vgl. ADM Institut, Change Management für Digitalisierung und digitale Transformation, 2021), sowie eine klare Zielsetzung für die Veränderungsprozesse vorgeben. Außerdem müssen Kreativ-Abteilungen mittels agiler Prozesse Innovationen im Unternehmen vorantreiben und im operativen Betrieb verankern. Einen eindrucksvollen Überblick über digitale und nachhaltige Innovationen erhalten Sie im Herausgeberwerk des Landshuter Leadership Forum „Innovationen in einer vernetzten Welt“ (vgl. Prof. Dr. Hubertus C. Tuczek, Innovationen in einer vernetzten Welt, 2021).

Die Umsetzung des europäischen Green Deal hat mit der deutschen Ratspräsidentschaft in der 2. Jahreshälfte 2020 begonnen. Doch wie kommt die europäische Kommission bzw. Frau Ursula von der Leyen als deren Präsidentin dazu, diesen Green Deal 2019 auszurufen? Das Thema „Grünes Wachstum“ wurde von der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) bereits in Zeiten der Wirtschaftskrise im Jahr 2009 ins Leben gerufen. Wenn sämtliche traditionellen Industrien wegen übergeordneter Interessen ausgebremst werden, was kann dann noch unseren Wohlstand sichern? Die Antwort auf diese Frage lautet gemäß der OECD: Klima- und Umweltschutztechnologien aber auch digitale Angebote, denn nur damit ist es möglich, Umweltschutz und Wirtschaftswachstum miteinander zu vereinbaren. Die Grundlage für ein ökonomischen Leitmodells soll grünes Wachstum bzw. grüne Wirtschaft sein (vgl. OECD, Towards Green Growth, 2011).

Ein erster politischer Schritt war die deutsche Klimaschutzpolitik und die damit verbundene Energiewende. Die Energiewende in Frankreich, auch „transition énergétique“ genannt, beinhaltet breitere Handlungsfelder wie beispielsweise die Kreislaufwirtschaft und auch den Gedanken, „grüne“ Branchen und Technologien staatlich zu fördern. Weitere politische Vorarbeit für den European Green Deal wurde von der Energieunion und dem europäischen Parlament geleistet. Hierbei lag der Fokus sehr stark auf Klimaschutz- und Energiesparmaßnahmen. Durch den globalen Wettbewerb muss die Wirtschaft jedoch vor „Öko Dumping“ von Drittstaaten geschützt werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Aus all diesen Puzzleteilen, die sehr viele konkurrierende Interessen berücksichtigen, ergibt sich die Strategie des European Green Deal.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den Europäischen Green Deal zu einem der wichtigsten Themen ihrer Amtszeit erklärt. Es sollen 1.000 Milliarden Euro investiert werden, um die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Die Wirtschaft ist der entscheidende Treiber für den Erfolg des Green Deal, denn ohne echte Innovationen aus der Industrie werden die ambitionierten Ziele nicht erreicht werden können. In der folgenden Abbildung werden die Arbeitsfelder des European Green Deals veranschaulicht.

Im Fokus der Umsetzung stehen EU-Fördermittel, die „niemanden zurücklassen“ sollen, d. h., die auch sozial verträglich sind. Mit den Arbeitsfeldern hat die europäische Kommission einen Fahrplan für die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen vorgelegt. Gemäß dieser Road Map ist planmäßig das „Fit for 55“-Gesetzespaket im Juli 2021 in Kraft getreten. Das Paket enthält Vorschläge für das Verabschieden von Gesetzen, wodurch die Umsetzung eines Zwischenziels festgelegt werden soll.

Die EU-Kommission hat in der Neujahrsnacht 2022 die sogenannte Taxonomie-Verordnung an die Mitgliedsstaaten versendet. Die Verordnung gibt Kriterien hinsichtlich dessen vor, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist. Die Verordnung legt unter anderem die ESG-Kriterien (environmental social governance) fest, wonach potenzielle Investor:innen nachhaltig investieren können. Ziel ist es, verstärkt Geldströme in sogenannte „grüne Technologien“ zu leiten und „Green Washing“ vonseiten der Unternehmen zu verhindern, um 2050 Klimaneutralität zu erreichen.

Um den Green Deal umzusetzen, sind zusätzliche Investitionen in Trillionen-Höhe von privater Hand und Unternehmen in ökologisch nachhaltiges Wirtschaften notwendig. Die EU-Taxonomie stellt dabei ein Klassifizierungssystem dar, das sechs Umweltziele der EU in einem Kriterienkatalog abbildet:

  • Klimaschutz

  • Anpassung an den Klimawandel

  • Nachhaltige Nutzung von Wasser- und Meeresressourcen

  • Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft

  • Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung

  • Schutz/Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme

(vgl. Europäische Kommission, EU-Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten, 2022)

Zudem geht es um Berichtspflichten für Unternehmen, wie u.a. im Lieferkettengesetz spezifiziert. Hier steht im Fokus, Informationen über die Nachhaltigkeit der Aktivitäten vergleichbarer zu machen, um eine quantitative Grundlage für den Zertifikatshandel sowie etwaige Offset-Maßnahmen zu schaffen.

Die neuen Berichts- und Informationspflichten sollen zudem Anlegern den Überblick erleichtern, wie nachhaltig ihre Investition ist. Ziel sind mehr Investitionen in eine klimafreundliche Wirtschaft. Unternehmen müssen mindestens eines der sechs Umweltziele erreichen, ohne gegen ein anderes zu verstoßen. Ferner müssen Mindestanforderungen in sozialen Bereichen oder in Bezug auf die Menschenrechte erfüllt werden. Bisher sind nur die Kriterien für die ersten beiden Umweltziele – Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel – definiert. Vorschläge für Bewertungskriterien für die vier verbleibenden Ziele liegen zwar schon vor, Experten gehen aber davon aus, dass ein Inkrafttreten erst in einigen Monaten erfolgen wird.

 

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